Kurz und gut: Romane von T.C. Boyle, Raymond Chandler und Berni Mayer

T.C. Boyle credit Peter-Andreas Hassepien

Die Sounds & Books-Reviews zu Romanen von T.C. Boyle, Raymond Chandler und Berni Mayer

von Gérard Otremba

In der neuen „Kurz und gut“-Rubrik beschäftige ich mich mit der Literatur. Auf der Agenda stehen mit „Blue Skies“ und „Das vorläufige Ende der Zeit“ die aktuellen Romane von T.C. Boyle und Berni Mayer sowie die Neu-Übersetzung von „Playback“, dem letzten Roman von Raymond Chandler und dessen berühmten Privatdetektiv Philip Marlowe.    

T.C. Boyle: Blue Skies

Schlangenphobiker haben es mit dem neuen Roman von T.C. Boyle nicht einfach. Boyles Protagonisten Cat will als Influencerin durchstarten und kauft sich eine Tigerpython, um mit Fotos und Videos mehr Aufmerksamkeit auf ihren Social-Media-Kanälen zu generieren. Das kann nur schiefgehen und beschwört eine persönliche Tragödie. Von der ist Cats Bruder Cooper ebenfalls betroffen. Der Insektenforscher stirbt fast an einem Zeckenbiss. Neben den privaten Katastrophen tischt uns T.C. Boyle diverse Naturkatastrophen auf, denn in Kalifornien wird von Hitze, Trockenheit sowie Dürre und Florida von Wärme und Dauerregen sowie Überschwemmungen heimgesucht. Angesicht dieser extremen Klimawandelveränderungen kämpfen Boyles Protagonisten ums Überleben.

T.C. Boyle entwirft einen apokalyptischen Umweltroman, der es in sich hat. Und taucht gekonnt in die menschlichen Abgründe der sich ergebenden alltäglichen Konflikte. Seinen Humor hat der amerikanische Kultautor dabei nicht verloren, ein Humor, der einem häufig im Halse stecken bleibt. Boyle bleibt ein wichtiger Mahner seiner Zeit. Wenn nur die Schlangen nicht wären.

T.C. Boyle: „Blue Skies“, Hanser, übersetzt von Dirk van Gunsteren, Hardcover, 400 Seiten, 978-3-446-27689-5, 28 Euro. (Beitragsbild: T.C. Boyle von Peter-Andreas Hassepien)

Raymond Chandler: Playback

Privatdetektiv Philip Marlowe erhält den Auftrag, eine junge Frau ausfindig zu machen und zu beschatten. Natürlich ist die Frau nicht nur jung, sondern auch attraktiv und Marlowe schlägt sich auf ihre Seite und gerät zwischen die Fronten, denn für Eleanor King interessieren sich aufgrund ihrer Vergangenheit noch andere Menschen. Aber ist sie gegenüber Philip Marlowe auch immer ehrlich? Oder treibt sie ein Doppelspiel? Das 1958 erschienene „Playback“ war Raymond Chandlers letzter Roman, bevor der Meister des Hard-Boiled-Krimis ein Jahr später verstarb. Unterbrochen wurde Chandlers Arbeit an „Playback“ durch den Tod seiner Frau Ende 1954, ein schwerer Schlag, der zu Selbstmordgedanken führte. Trotz der widrigen Umstände hat sich Raymond Chandler zu einem, obwohl nicht in Los Angeles, sondern in La Jolla spielenden, typischen Marlowe-Roman zusammengerissen.

Noch einmal rückte der berühmte einzelgängerische, unbestechliche, an seinen Idealen festhaltende, hier nach der Sinnhaftigkeit fragende Held in den Mittelpunkt. Und ein Marlowe-Roman lohnt sich immer. Feine Neu-Übersetzung von Ulrich Blumenbach.  

Raymond Chandler: „Playback“, Diogenes, Hardcover, 240 Seiten, 978-3-257-07247-1, 25 Euro. 

Berni Mayer: Das vorläufige Ende der Zeit

Sowohl die Archäologin Mi-Ra als auch der Friedhofsgärtner Artur sind traumatisiert. Mi-Ra hat eine heftige Beziehung hinter sich und auch die Kindheit verlief nicht spurlos an ihr vorbei, während Artur um seine verstorbene Tochter trauert und in einer apathischen Ehe lebt. In Frankfurt an der Oder treffen sie den mysteriösen Verleger Horatio Beeltz, der in beiden die idealen Kandidaten für eine Zeitreise mit der Möglichkeit, die jeweils eigene Geschichte zu ändern, sieht. Mit Hilfe der psychedelischen Wirkung von Pilzen aus Kasachstan begeben sich die beiden auf dem verlassenen jüdischen Friedhof in Slubice auf der polnischen Seite der Oder, der Ort, der Zeitreisen möglich macht, auf einen Trip in ihre Vergangenheit. Berni Mayer, dessen letzten Roman „Ein gemachter Mann“ wir ebenfalls rezensiert haben, taucht auf unkonventionelle Weise in die Welt der Kosmologen ein.

Mit seinem lakonischen Stil erweist sich der 1974 geborene Schriftsteller einmal mehr als einer der charmantesten Erzähler der deutschen Gegenwartsliteratur. Also, wer bisher noch kein Buch von Berni Mayer gelesen hat, sollte damit jetzt mal anfangen.

Berni Mayer: „Das vorläufige Ende der Zeit“, Dumont, Hardcover, 258 Seiten, 978-3-8321-8184-0, 24 Euro.    

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